Suchtmittel am Arbeitsplatz


Fragebogen

  • Haben Sie erfolglos versucht, Ihren Alkoholkonsum einzuschränken?
     
  • Haben Sie sich jemals über die Kritik von anderen wegen Ihres Alkoholkonsums geärgert?
     
  • Fühlen Sie sich schlecht oder schuldig wegen Ihres Trinkens?
     
  • Trinken Sie als erstes am Morgen, um Ihre Nerven zu stärken oder einen Kater loszuwerden?
     

Mehr als 2 Ja-Antworten weisen auf eine Alkoholproblematik hin.

(aus dem Merkblatt der Lipha Initiative: Gemeinsam gegen Alkoholismus)

Suchtmittelmissbrauch am Arbeitsplatz

Der Konsum von Alkohol bildet einen selbstverständlichen Bestandteil unserer Gesellschaft und unserer Kultur. Wir nutzen ihn als Entspannungs- und Genußmittel, als Problemlöser, als Medizin, als "soziales Schmiermittel". Übersehen wird dabei oft, dass Alkohol auch ein Suchtpotenzial besitzt; mehr als 2,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sind Alkoholabhängig, mehr als 40.000 Menschen sterben jährlich an den unmittelbaren Folgen ihres Alkohlkonsums.

Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich in der Regel über 5 bis 10 Jahre hinweg, sie ist eine chronische Krankheit mit tödlichem Verlauf. Gerade auch am Arbeitsplatz werden Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen auffällig - sie kommen zu spät, sie fehlen häufig, sie sind unzuverlässig, labil und gereizt. Das Umfeld, die Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Vorgesetzten fühlen sich im Umgang mit einem Suchterkrankten oft überfordert, hilflos und ohnmächtig. Obwohl etwa 5-7 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Betrieben suchtmittelabhängig sind, wird dieser Themenbereich eher totgeschwiegen, erhalten die Betroffenen nicht die fachlich notwendige Hilfe, um die Erkrankung zum Stillstand zu bringen.
Auch arbeitsrechtliche und betriebswirtschaftliche Faktoren gilt es, im Auge zu behalten. So sind etwa 25 bis 30 % aller Betriebs- und Wegeunfälle alkohol- und/oder medikamentenbedingt, liegt das Unfallrisiko bei einem Wert von nur 0,8 Promille bereits 4,5-fach über dem normalen Risiko.

Gerade weil die Situation für Kollegium und Vorgesetzte so belastend ist, bedeutet es eine große Erleichterung, wenn es fachlich geschulte Ansprechpartner gibt, die Hilfestellung geben oder an kompetente Stellen weiter vermitteln können.

Helfen auch Sie Ihren betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Schweigen Sie nicht, sprechen Sie die Problematik an. Wenn die Auffälligkeiten so groß geworden sind, dass sich die Personalabteilung einschaltet und eine Kündigung droht, ist die Entwicklung der Sucht schon so weit fortgeschritten, dass Hilfe kaum noch möglich ist. Wenden Sie sich an Ihren Betriebsrat oder Ihre Personalvertretung, wenn Sie unsicher sind und Fragen haben, diese Stellen haben sich mit dieser Problematik meist ebenfalls schon auseinander gesetzt.

Wissenswerte Grundlagen


Allgemeine Daten nach Angaben der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS)

  • Der Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol betrug 1998 ca. 10,5 Liter; bezogen auf die Art der Getränke sind das insgesamt etwa 127 Liter Bier, 23 Liter Wein oder Sekt und 6 Liter Spirituosen.
    Der Verbrauch ist in den letzten Jahren zwar stetig, aber nur leicht rückgängig.
     
  • 1997 gehörten 14,1 % der Männer und 7,4 % der Frauen durch den täglichen Konsum von mehr als 40 g (Männer) bzw. 20 g (Frauen) Alkohol zu der Risikogruppe, die dadurch ihre Gesundheit gefährden.
     
  • Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums betrug 1986 der volkswirtschaftliche Schaden durch Alkoholeinnahme ca. 17 Milliarden DM.
     
  • Die Folgekosten von Suchtmittel bedingten Krankheiten betragen jährlich ca. 40 Milliarden DM.
     
  • 1998 wurden in deutschen Apotheken Medikamente 1,59 Milliarden Arzneimittelpackungen mit einem Umsatz von 52 Milliarden Mark verkauft.
    Etwa 6 - 8 % aller viel verordneten Arzneimittel haben ein eigenes Suchtpotential.
     
  • Unter den frei verkäuflichen Medikamenten stellen Schmerzmittel unangefochten die Spitzenreiter im Umsatz dar.
     
  • Benzodiazepinhaltige Schlaf- und Beruhigungsmittel gehören trotz ihres hohen Abhängigkeitspotentials zu den am meisten verordneten Psychopharmaka. Ihre Verordnungen 1998 reichten aus, um 1,1 Millionen Menschen damit täglich zu versorgen.
     
Seitenanfang

Suchtstoffe und ihre Auswirkungen auf die Arbeit

  • Der Altersschwerpunkt bei Alkoholabhängigen betrifft insbesondere die Altersgruppe der im Arbeitsprozeß stehenden Männer (65 %) und Frauen (35 %) zwischen 30 und 50 Jahren.
     
  • Anteil alkoholabhängiger MitarbeiterInnen in den Betrieben (unabhängig von Betriebsgröße, Branche und Qualifikation): ca. 5 - 7 %
     
  • Anteil alkoholgefährdeter MitarbeiterInnen in den Betrieben: ca. 10 %
     
  • Etwa 25 - 30 % der Betriebs- und Wegeunfälle gelten als alkohol- und/oder medikamentenbedingt.
     
  • Bei Abhängigkeitskranken ist mit einer suchtbedingten Minderleistung von rund 25 % zu rechnen.
     
  • Bei einem Betrieb mit 1.000 Beschäftigten kostet dies jährlich im Durchschnitt 750.000 DM.
Seitenanfang

Alkoholwirkungen auf den Menschen

  • bei 0,8 Promille (ca. ½ l Wein und 1 Glas Schnaps) ergibt sich eine verminderte Sehfähigkeit von 25 %, verlängerte Reaktionszeiten um 35 - 50 %, ausgeprägte Konzentrationsschwächen, zunehmende Enthemmung, Selbstüberschätzung, Verengung des Blickfeldes (Tunnelblick)
     
  • ab 1,3 Promille (ca. 1 Liter Wein und 1 Glas Whisky) massive Einbußen der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, Verlust der Kritikfähigkeit (Selbstüberschätzung), Sprach- und Orientierungsstörungen, starke Gleichgewichtsstörungen, Verschlechterung des räumlichen Sehens
     
  • mit zunehmendem Promillegehalt steigt die Unfallgefahr erheblich:
    • bei 0,3 Promille = 2-faches Unfallrisiko über normal
    • bei 0,8 Promille = 4,5-faches Unfallrisiko über normal
    • bei 1,2 Promille = 9,5-faches Unfallrisiko über normal
    • bei 1,5 Promille = 16-faches Unfallrisiko über normal

Was häufig übersehen wird:
Alkohol ist ein Suchtmittel und kann zur Abhängigkeit führen!
Seitenanfang

Hinweise auf eine mögliche oder beginnende Abhängigkeit

  • Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Fehlzeiten
    • Häufung einzelner Fehltage
    • Entschuldigung durch andere
    • nachträgliche Aufrechnung von Fehltagen gegen Urlaub
    • Unbegründete Abwesenheit vom Arbeitsplatz
  • Leistungsminderung
    • Starke Leistungsschwankungen
    • Mangelnde Konzentrationsfähigkeit
    • Auffallende Unzuverlässigkeit
  • Verhaltensänderungen
    • Starke Stimmungsschwankungen
    • Unangemessen nervös und/oder reizbar
    • Großspurig/aggressiv oder unterwürfig/angepasst
  • äußeres Erscheinungsbild/Auftreten
    • Vernachlässigung der Körperpflege/Kleidung
    • Händezittern, Schweißausbrüche
    • Artikulationschwierigkeiten
  • Trinkverhalten
    • Alkoholkonsum zu unpassenden Gelegenheiten
    • Heimliches Trinken
    • Demonstrative Vermeidung von Alkohol, Tarnung mit "Softdrinks"
Seitenanfang

Anzeichen für eine Medikamentenabhängigkeit

  • überkorrektes und sich selbst überfordendes Verhalten
  • Schwankende Gefühlslage
  • Apathie
  • Mühsamer Gesprächskontakt
  • Vergessen von wichtigen Informationen, häufiges Wiederholen derselben Gedanken
  • Ängstlichkeit vor eigentlich normalen, belanglosen Problemen

Arbeitsrechtliche Fragen


Unfallverhütungsvorschrift (UVV)

§ 38, Absatz 1:
Versicherte dürfen sich durch Alkoholgenuss nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.

§ 38, Absatz 2:
Versicherte, die infolge Alkoholgenusses oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen mit Arbeiten nicht beschäftigt werden.

Bei Unfall durch Alkoholgenuss wird eine
fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung angenommen!

Vergleiche Fallbeispiel.

Gegen Arbeitsunfälle ist jede MitarbeiterIn bei der Berufsgenossenschaft versichert. Der Versicherungsschutz besteht jedoch nicht mehr bei alkoholbedingten Unfällen. "Ist die Arbeitsleistung eines Beschäftigten im Unfallzeitpunkt alkoholbedingt so sehr beeinträchtigt, dass jederzeit mindestens mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass er die wesentlichen mit dieser Beschäftigung verbundenen Arbeitsvorgänge nicht mehr leisten kann, so ist er unversichert." Bei typisch alkoholbedingtem Fehlverhalten kann unter anderem schon bei sehr niedrigen Promille-Werten der Unfallversicherungsschutz verlorengehen.

Seitenanfang

Das Arbeitsrecht unterscheidet zwischen ...

Trunkenheit
= der Betroffene ist für seine Handlungsweise verantwortlich (es sind nur verhaltensbedingte Maßnahmen gerechtfertigt)

Trunksucht
= Abhängigkeitserkrankung (es sind nur personenbedingte Maßnahmen gerechtfertigt)

Medikamente und Drogen
das Sozialgesetz sieht eine Gleichbehandlung aller drei Suchtstoffgruppen vor, d. h. die Unterscheidung zwischen verhaltensbedingten Maßnahmen (volle Verantwortung für das eigene Handeln) und personenbedingten Maßnahmen (Erkrankung) wird ebenfalls vorgenommen

Die Frage, ob eine Abhängigkeit vorliegt, ist für die arbeitsrechtliche
Beurteilung von entscheidender Bedeutung!
Seitenanfang

Abgestufte Sanktionen im Arbeitsrecht:

Arbeitgeber können arbeitsvertragswidriges Verhalten von Beschäftigten infolge von nicht krankhaftem Suchtmittelmißbrauch mit einer Abmahnung beanstanden und im Wiederholungsfall weitere Konsequenzen androhen.
Bei Suchtkranken ist eine Abmahnung rechtlich nur zulässig, wenn sie mit Hilfsangeboten gekoppelt werden, die dazu führen, dass der Betroffene gesund werden kann, um so den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen wieder nachzukommen. Suchtkranke sind arbeitsrechtlich vor Kündigungen weitgehend geschützt, sofern sie die ihnen angebotenen Hilfsmaßnahmen in Anspruch nehmen.

Verwarnung: mündlich durch den Vorgesetzten, kein Eintrag in die Personalakte
Abmahnung: schriftlich, Vermerk in der Personal-Akte, Mitteilung an den Betriebsrat
Kündigungsandrohung und Vollzug der Kündigung

Personenbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit Suchterkrankungen sind rechtlich nur durchsetzbar, wenn

  • eine negative Zukunftsprognose besteht (Ablehnung einer Therapie durch den betroffenen Mitarbeiter)
  • die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nachgewiesen ist (wirtschaftlich und/oder betrieblich)
  • diese Beeinträchtigung durch die Krankheit der MitarbeiterIn bedingt ist
  • eine Interessenabwägung (Betrieb versus Betroffener) stattgefunden hat

Betriebliche Suchtprävention


Positive Effekte von Suchtpräventions- und Hilfsmaßnahmen im Betrieb

  • Erhöhung der Produktivität
  • Rückgang des Krankenstandes
  • Erhöhung der Produktqualität
  • Erhöhung der Arbeitssicherheit
  • Einsparung von Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten
  • Verbesserung der Unternehmenskultur und des Unternehmensimages
  • Steigerung der Führungsqualifikation und Erweiterung der sozialen Handlungskompetenz
  • Verbesserung des Betriebsklimas
  • frühzeitige Intervention bei suchtmittelauffälligen MitarbeiterInnen und Vermittlung adäquater Hilfsangebote

Aufgaben der Betrieblichen Suchtkrankenhilfe

  • Prävention:
    z.B. Informationsveranstaltungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betriebes
  • Schulung von Vorgesetzten
    Informationen zum Thema Drogen und Suchterkrankung sowie zu rechtlichen Fragen, Schulungen zur Gesprächsführung
  • Einzelfallarbeit
    Motivationsarbeit, Hilfestellung bei der Einleitung von ambulanten oder stationären Therapien, Angehörigenarbeit, Hilfestellung bei der Wiedereingliederung in den Betrieb
  • Kontaktpflege und Zusammenarbeit
    mit Facheinrichtungen (Beratungsstellen, Kliniken, Selbsthilfegruppen)
  • Betriebliche Selbsthilfegruppe

Wichtige Handlungsimpulse

(aus: "Spannung", eine Informationsbroschüre der Daimler Benz AG, 1997)

  • Störungen / Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig ansprechen
  • Ursachenklärung Fachleuten überlassen, keine Diagnose stellen
  • Chancen zur Verhaltensänderung einräumen
  • Heimfahrt im akuten Trunkenheitsfall veranlassen und dokumentieren
  • Treffen von Absprachen und auf deren Einhaltung achten
  • Feedback über die Entwicklung geben, im positiven wie im negativen Fall
  • Realistische Konsequenzen bei Nichtveränderung ankündigen und auch durchführen
  • Einbeziehen der Sozialberatung und Abstimmung der Vorgehensweise
  • Initiieren von Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen

Betriebsvereinbarung


Betriebsvereinbarung gegen den Missbrauch von Suchtmitteln und über die Hilfe für Suchtmittelabhängige

Sie wird abgeschlossen zwischen Personal-/Betriebsrat und dem/der ArbeitgeberIn als Instrument, die Vorgehensweise im Umgang mit Suchterkrankten oder Suchtgefährdeten klar und strukturiert zu regeln.
In der Betriebsvereinbarung werden unter anderem die zu beteiligenden Gesprächspartner, die zeitlichen Abstände zwischen den Gesprächen und die durchzuführenden Maßnahmen und Konsequenzen für den Fall einer Nichtänderung des Verhaltens des Betroffenen eindeutig und verbindlich festgelegt.
Darüberhinaus können Fragen zum Thema Wiedereingliederung des Betroffenen in den Betrieb, Umgang mit Rückfall und Umgang mit akut Intoxiziierten in der Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Beispiel für eine mögliche Form einer Betriebsvereinbarung

Bei Eindruck oder Verdacht auf Gefährdung bzw. Abhängigkeit:

1. Schritt
- Vertrauliches Gespräch zwischen Vorgesetztem und MitarbeiterIn
- Auf Wunsch der MitarbeiterIn kann der Betriebsrat hinzu gezogen werden
- Keine personellen Konsequenzen
folgen keine weiteren Auffälligkeiten besteht kein weiterer Handlungsbedarf
 
nach 6 Wochen: Verdacht besteht weiter
 
2. Schritt
- Gespräch zwischen Vorgesetztem, Personalabteilung (PA), Betriebsrat (BR), Suchtberatung und Betroffenem
- Vermerk in Personalakte, keine personellen Konsequenzen
folgen keine weiteren Auffälligkeiten besteht kein weiterer Handlungsbedarf
nach 6 Wochen: Verdacht besteht weiter
 
3. Schritt
- Gespräch zwischen Vorgesetztem, PA, BR, Suchtberatung und Betroffenem
- Erteilung einer Therapieauflage
- Erste schriftliche Abmahnung
folgen keine weiteren Auffälligkeiten besteht kein weiterer Handlungsbedarf
nach 6 Wochen: keine positive Veränderung bzw. Therapieauflage nicht durchgeführt oder abgebrochen
 
4. Schritt
- Gespräch zwischen Vorgesetztem, PA, BR, Suchtberatung und Betroffenem
- Zweite schriftliche Abmahnung
- Androhung der Kündigung
- Wiederholung der Therapieauflage
 
5. Schritt
Wird die Therapieauflage nicht durchgeführt und erfolgt in dem Verhalten des Betroffenen keine Änderung, wird die außerordentliche Kündigung unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen ausgesprochen.
 
Rückfall
Bei einem Rückfall (nach einer Therapie) ist im Einvernehmen mit dem/der Betroffenen, dem Betriebsrat, der Personalabteilung und dem Vorgesetzten das weitere Vorgehen zu regeln.
 
Wiedereingliederung
Können Betroffene innerhalb eines Jahres nach ihrer Entlassung zu einer abstinenten Lebensweise finden, ist der Betrieb bemüht, sie wieder einzustellen.
 
Der Betriebsrat ist an diesem Entscheidungsprozess beteiligt.

Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers und zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs hat die/der Vorgesetzte zum Schutz des Betroffenen wie auch zum Schutz der KollegInnen ArbeitnehmerInnen, die unter Suchtmitteleinfluss stehen, vom Arbeitsplatz zu entfernen.

Dabei reicht der begründete Verdacht einer Intoxikation aus, der Betroffene kann und darf nicht gezwungen werden, sich beispielsweise einem Atem-Alkohol-Test zu unterziehen.

Die/der Vorgesetzte kann zur Absicherung des Verdachtes auf Arbeitsunfähigkeit ein Mitglied des Betriebsrates, ein Mitglied der Personalabteilung oder den/die SuchtberaterIn hinzuziehen.

Der sichere Heimweg des Betroffenen ist zu gewährleisten.

Gesprächsvorbereitung
und -führung


Orientierungspunkte für die Gesprächsvorbereitung
Fragen vor dem Gespräch
Hinweise zur Gesprächsführung
Grundregeln der Gesprächsführung
Gliederungspunkte der Gesprächsführung
Hinweise zum Feedback

Orientierungspunkte für die Gesprächsvorbereitung

Gespräche mit einem suchtmittelkranken Menschen sind in der Regel besonders schwierig. Dies liegt an unserer eigenen Unsicherheit und an dem Gesprächsverhalten des Betroffenen.

Deshalb ist es sehr wichtig, sich vor dem Gespräch einige Punkte zu überlegen. Es kann auch sehr nützlich sein, sich bei der Vorbereitung des Gespräches einige Stichworte als Gedächtnisstütze zu notieren.


Folgende Fragen sollten Sie sich vor dem Gespräch stellen:

  • Wie kritisch ist die Situation des Betroffenen?
     
  • Was wollen Sie mit dem Gespräch erreichen?
     
  • Welche Verhaltensweisen / Tatsachen machen Ihnen Sorgen?
     
  • Welche Punkte sollten Sie unbedingt ansprechen?
     
  • Wie wollen Sie das Gespräch beginnen?
     
  • Wie wird der Betroffene vermutlich reagieren?
     
  • Wie können Sie sich verhalten, damit es nicht zu einem "Schlagabtausch" kommt, Sie sich aber auch nicht "einwickeln" lassen?
     
  • Welche konkreten Hilfsangebote können Sie dem Betroffenen machen?
     
Seitenanfang

Hinweise zur Gesprächsführung

Führen Sie ein Gespräch nur, wenn der Betroffene in einem nüchternen und aufnahmefähigen Zustand ist.
Wenn jemand zu stark unter Suchtmitteleinfluss steht, ist ein sinnvolles Gespräch nicht möglich. Außerdem hat er am nächsten Tag schon wieder vergessen, worüber Sie mit ihm gesprochen haben.

Zeigen Sie dem Betroffenen, dass Sie sich Sorgen um ihn machen.
Er muss spüren, dass Sie ihn nicht ablehnen und ihn "fertig machen" wollen, sondern dass es Ihr Wunsch ist, ihm zu helfen. Es ist sinnvoll, einen aktuellen Vorfall zum Anlass des Gesprächs zu nehmen.

Sagen Sie dem Betroffenen, warum Sie sich Sorgen machen.
Welche Verhaltensweisen sind Ihnen aufgefallen? Welche Folgen und Probleme haben sich daraus schon ergeben? Welche Konsequenzen sind darauf erfolgt? Welche Hilfsangebote können Sie ihm machen?

Schaffen Sie ein gutes Gesprächsklima.
Führen Sie das Gespräch nicht zwischen "Tür und Angel". Nehmen Sie sich Zeit und schaffen Sie Bedingungen, die ein ungestörtes Gespräch ermöglichen.

Versuchen Sie nicht, den Betroffenen davon zu überzeugen, dass er Suchtmittel abhängig ist.
Stellen Sie keine Diagnosen! Ihre "Diagnose" stärkt nur die Abwehrhaltung. Sie sind kein Fachmann und haben weder das Recht noch die Kompetenz, eine Diagnose zu stellen.

Machen Sie dem Betroffenen keine Vorwürfe.
Auch Vorwürfe verstärken nur die Abwehrhaltung. Vorwürfe macht der Betroffene sich selbst vermutlich schon genug.

Geben Sie keine "guten" Ratschläge und appellieren Sie nicht, "sich doch zusammenzureißen" und - beispielsweise - "weniger zu trinken".
Der Betroffene hat vermutlich schon mehrfach versucht, weniger Suchtmittel einzunehmen oder ganz auf sie zu verzichten. Wenn er abhängig ist, müssen diese Versuche scheitern.

Lassen Sie sich das Gespräch nicht aus der Hand nehmen.
Lassen Sie sich nicht auf Diskussionen über Trinkmenge, -gründe und -häufigkeit ein. Gehen Sie nicht auf Versuche des Betroffenen ein, von sich abzulenken und über andere zu reden.

Seitenanfang

Grundregeln für die Gesprächsführung

Mich auf das Gespräch vorbereiten

  • Mein Ziel?
  • Meine Einstellung, mein Gefühl zu dem anderen?
  • Meine Schwächen, meine Stärken?

Dem anderen respektvoll gegenübertreten

Kontakt herstellen

  • Blickkontakt!
  • Körperausdruck beobachten, auf Übereinstimmung verbal/nonverbal achten, ggf. ansprechen

Erwartungen klären

  • Worum geht es?
  • Was will ich / was wollen wir?

Informationen zum Thema einholen

  • Nicht werten
  • öffnende Fragen stellen (Warum, Wie, Weshalb, Wann, Wer ...)
  • Informationen strukturieren

Im Hier und Jetzt bleiben

  • keine "Archäologie" betreiben, keine ollen Kamellen aufwärmen

"Ich" statt "Man" und "Wir" verwenden

Wichtige Gesprächsinhalte mit eigenen Worten wiederholen

Eigene Interpretationen als solche deutlich machen

50 %-Regel beachten

  • Die Hälfte der Anstrengung zur Problemlösung muss von dem Gegenüber ausgehen

Bilanz ziehen

  • Was wurde geklärt, was blieb offen?
  • Welche Fragen sind neu entstanden?
  • Welche nächsten Schritte stehen an?
  • Rückmeldung!
(aus: Gührs/Nowak: Das konstruktive Gespräch, 1991)
Seitenanfang

Gliederungspunkte einer Gesprächsführung

  1. Einbestellung zum Gespräch (Ort, Termin, zeitliche Begrenzung, Grund)
     
  2. Begrüßung, Einleitung (zeitlicher Rahmen, Grund)
     
  3. Positive Wertschätzung / Qualität der Beziehung / Persönliche Sorge
     
  4. Verhaltensauffälligkeiten / Leistungsminderung (allgemein / konkret)
     
  5. Vermutung Zusammenhang Suchtmittel (Alkohol / Medikamente / Drogen)
     
  6. Hilfsangebote
     
  7. Vereinbarung neuer Termin - weiteres Vorgehen (Kontrolle), Hinweis auf Konsequenzen bei Beibehaltung des Suchtmittelmissbrauchs
     
Seitenanfang

Hinweise zum Feedback

  • Geben Sie positive Rückmeldung
     
  • Benennen Sie Ihre Kritik oder Verbesserungsvorschläge konkret
     
  • Wenn Sie ein Feedback erhalten, kommentieren Sie dieses nicht. Hören Sie sich die Rückmeldung an und überlegen Sie, was Sie davon annehmen möchten und was nicht.

Literatur


Ratgeber für Helfer, Betroffene und Angehörige
Alkohol und Medikamente am Arbeitsplatz
Fachliteratur
Broschüren und Infomaterial
Information und mehr im Internet


Ratgeber für Helfer, Betroffene und Angehörige

Schneider, R.: Die Suchtfibel, Schneider Verlag 1997
Küfner, H.: Die Zeit danach, Schneider Verlag 1996
Klaus, T.: Wenn Vater zuviel trinkt, Blaukreuz Verlag 1992
Lambrou, U.: Helfen oder Aufgeben?, rororo 1996
Körkel, J. (Hg.): Rückfall muß keine Katastrophe sein, Blaukreuz Verlag 1992
Lindenmeyer, J.: Lieber schlau als blau, Beltz Verlag 1994
Seitenanfang

Alkohol und Medikamente am Arbeitsplatz

Bengelsdorfer, Peter u.a.: Alkohol im Betrieb und am Arbeitsplatz. Ein Leitfaden für die Praxis, Mühlau Verlag, Kiel 1987, 67 Seiten
IG Metall (Hg.): Das Suchtbuch für die Arbeitswelt, Schriftenreihe der IG Metall 1991
IG Metall (Hg.): Medikamentenprobleme in der Arbeitswelt, Schriftenreihe der IG Metall 1995
Mühlbauer, H.: Kollege Alkohol, Kösel Verlag 1992
Seitenanfang

Fachliteratur

Feuerlein, W.: Alkoholismus. Mißbrauch und Abhängigkeit, Thieme Verlag 1989
Heigl-Evers, A. (Hg.): Suchttherapie, Vandenhoeck & Ruprecht 1991
Petry, J.: Alkoholismustherapie, Psychologie Verlags Union 1996
Rost, W.-D.: Psychoanalyse des Alkoholismus, Klett 1992
Schmidt, L.: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch, Kohlhammer 1993
Schuhler, P., H. Baumeister: Kognitive Verhaltenstherapie bei Alkohol- und Medikamentenmißbrauch, Psychologie Verlags Union 1999
Seitenanfang

Broschüren und Infomaterial

Krankenkassen (Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Barmer Ersatzkasse)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales
(Broschüre: Wie sag ich es meinem Kollegen?)
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) / Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR) (Hrsg.): Alkohol im Betrieb - Darstellungen von Suchtproblemen - Vorschläge für Lösungen, Bonn 1990
Seitenanfang

Information und mehr im Internet

Literatur zum Thema Alkohol, Arbeit und Gesundheit
(isisem.de)
Information zu Alkohol und Gesundheit
(drinkingandyou.com)
Kritischer Selbsttest
(Manager Magazin)
Über Arbeitsunfälle, Pflichten der Vorgesetzten und rechtliche Aspekte
(TU Berlin)
Information zur Suchtprävention
(suchtvorbeugung.at)
Alkoholmissbrauch und Arbeit
(infoline)